L´Exposition

(Die Schatten von Tsushima Kapitel 7)

Das stetige Rattern des Zuges auf seinem langsamen Weg durch das eintönige Sibirien nach Westen begleitete Zinaidas Erzählung:

 

„Also erst einmal bedanke ich mich bei Euch, dass ihr mich nicht gleich wieder aus dem Zug geworfen habt, und mir erst einmal die Chance gebt, euch zu erklären, wer ich bin, und warum ich diese Reise nach Moskau unbedingt machen muss.

Wie ihr schon wisst ist mein Name Zinaida, und eigentlich komme ich aus Moskau. Mein Vater Alexander Jewstafjewitsch Karnowitsch war Kaufmann, und handelte mit militärischer Ausrüstung, also Uniformen, und alles was dazugehört. Im Winter vor zwei Jahren, als ich gerade siebzehn geworden war, starb erst meine Mutter und wenig später auch mein Vater an einer schweren Lungenentzündung.

Daraufhin kamen meine Schwester und ich - meine Schwester Oljesja ist knapp zwei Jahre älter als ich - zu meinen Tanten Marija und Svetlana Iwanowna Afanassjewitsch nach Nasarowo. Mein Vater hatte für solche Fälle bereits alles geregelt, da er auch in der Vergangenheit immer mal wieder mit verschiedenen Krankheiten zu kämpfen gehabt hatte, und für uns Töchter und seine Frau vorsorgen wollte. Da nun allerdings seine Frau vor ihm gestorben war, bestimmte das Testament seine beiden unverheiratet lebenden Tanten in Nasarowo dazu, uns bis zu unserer Volljährigkeit zu betreuen.

In seinem Testament hatte unser Vater zudem bestimmt, dass wir spätestens mit Erreichen der Volljährigkeit, also unserem einundzwanzigsten Lebensjahr, über unser Erbe verfügen sollten, und frei sein sollten, unser Leben zu gestalten, während zuvor für jedes Jahr, dass wir bei den Tanten verbringen würden eine ordentliche Apanage für jede von uns beiden Schwestern gezahlt wurde. Würden wir vor dem Erreichen unserer Volljährigkeit heiraten, so würden unsere Tanten zumindest noch die Hälfte der Apanage für die noch verbleibenden Jahre bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr erhalten, so, dass das auch für unsere Tanten immer noch ein gutes Geschäft sein würde.

Jetzt müsst ihr wissen, dass meine Tanten einerseits einen recht luxuriösen Lebensstil pflegten, andererseits das Landgut das ihnen gehörte, und das sie im Wesentlichen durch einen Haushofmeister eigenständig bewirtschaften ließen, nur wenig mehr hergab, als zum minimalen Erhalt des Hausstandes erforderlich war. Von daher kam den Tanten der Umstand, dass sie nun für uns beide Schwestern eine signifikante Aufbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse erfuhren, sehr gelegen.

Sie nahmen uns daher sehr freundlich auf, und tatsächlich ließen sie es uns an kaum etwas fehlen. Wir hatten einen Hauslehrer und bekamen auch weiterhin unsere Tanzstunden im Winter und Reitunterricht im Sommer, und unsere Unterbringung war genauso luxuriös, wie die der Tanten.

Das geräumige Haus lag etwas außerhalb von Nasarowo in einer schönen Gegend, und weder meine Schwester noch ich konnten uns wirklich beklagen. Jede von uns hatte in dem großen Haus ein eigenes, hell und freundlich ausgestattetes Zimmer, das auch im Winter immer gut beheizt war.

Am Anfang machten wir uns auch überhaupt keine Gedanken darüber, wie es sein konnte, dass unsere Tanten in dieser relativ armen Provinz einen Luxus wie in Moskau pflegen konnten. Mit der Zeit bekamen wir allerdings einen Einblick darin, wie es unseren Tanten gelungen war, ihren gehobenen Lebensstil zu pflegen: sie waren Kupplerinnen.

Fast regelmäßig kam mindestens einmal im Monat, jeweils an einem Sonntag, in unserem Salon eine kleine Gesellschaft zusammen, die neben meinen Tanten, meiner Schwester und mir, aus einer weiteren, meist jungen, Frau und drei bis fünf Herren unterschiedlichen Alters bestand. Die junge Maid wurde meist noch von ihren Eltern begleitet, so dass wir in der Summe eine Tafel von zehn bis zwölf Personen waren, für welche meine Tanten stets ein opulentes Diner vorbereiten ließen.

Während dem Diner wurde meist anspruchsvolle Konversation betrieben, und jeder der Anwesenden versuchte sich von seiner besten Seite her zu zeigen. Nach dem Dessert wurden meine Schwester und ich aus der Runde verabschiedet, und wir wussten zunächst nur, dass die Gesellschaft sich irgendwann spät am Abend aufgelöst und wieder verabschiedet hatte. Nur selten erkannten wir den ein oder anderen der anwesenden Herren bei einem weiteren Diner wieder, so dass wir eine Menge neuer Leute kennenlernten, deren Namen mir aber alle wieder entfallen sind.

Die Tanten sprachen von diesem Ereignis stets in gewählter französischer Form als „Exposition“.

Erst mit der Zeit wurde meiner Schwester und mir klar, was der eigentliche Zweck dieser „Exposition“  war: unsere Tanten brachten heiratswillige Mädchen - oder sagen wir besser Mädchen, für welche ihre Eltern beschlossen hatten sie zu verheiraten - mit potentiellen Heiratskandidaten in einem angenehmen gesellschaftlichen Rahmen zusammen. Dabei trafen meine Tanten wohl eine gewisse Vorauswahl, bezüglich zueinander passender Charaktere. Sowohl die Eltern des Mädchens, als auch die Herren zahlten eine wohl erkleckliche Summe für ihre Teilnahme an dem Diner, die sich wohl noch einmal erhöhte, wenn tatsächlich eine eheliche Verbindung im Nachgang zustande kam.

Dadurch dass wir beiden Schwestern nun zum Haushalt gehörten, hatten meine Tanten einen unmittelbaren Vorteil, denn, da sie auf Stil sehr großen Wert legten, waren sie nun in der Lage, bei dem Diner zwei weitere Herren einzuladen ohne dass ein Ungleichgewicht zwischen der Anzahl an Damen und Herren beim Diner zustande kam. Somit konnten sie zusätzliches Geld einnehmen, was ihrem luxuriösen Lebensstil sehr entgegen kam.

Was uns einige Zeit verborgen blieb, war, was sich im Anschluss an das Diner ereignete, also in der Zeit des Abends, in der wir beiden Schwestern nicht mehr anwesend waren.

Ich fand es durch Zufall heraus, als ich, neugierig wie ich bin, an einem solchen Abend nicht auf meinem Zimmer bleiben wollte, durch das Haus streifte, und Stimmen aus einem seitlichen Flügel des großen Hauses vernahm. Ich begab mich dorthin, und fand ein dunkles Zimmer vor, von dem aus ich unbemerkte Blicke in zwei angrenzende Zimmer werfen konnte. Das eine war der Salon, der prächtig ausgestattet, und mit vielen Büchern in Regalen, fast wie eine Bibliothek anmutete. Das Andere war ein Zimmer ungefähr so groß wie jenes in dem ich mich bereits befand. Während der Salon hell erleuchtet war, herrschte in dem zweiten, kleineren Zimmer nur ein gedämpftes Kerzenlicht.

Wie ich später herausfand, waren die Gucklöcher, die aus meinem Zimmer in die beiden Angrenzenden reichten, in diesen geschickt durch Bilder getarnt, so dass meine Blicke niemand bemerken konnte. Doch auch eine andere Besonderheit gab es zwischen den beiden anderen Räumen: sie verband etwas, was vom Salon aus gesehen ein großer Spiegel war, sich von der anderen Seite, von dem kleineren Zimmer aus, allerdings als eine Art Fenster darstellte, durch das man recht gut die Vorgänge im Salon beobachten konnte.

Gespannt konnte ich beobachten, dass sich die feine Gesellschaft aufgeteilt hatte, und zwar waren die Herren sämtliche in dem kleinen Zimmer vor dem Fenster versammelt, und hatten es sich im Halbdunkel auf großen Fauteuils aus Leder bequem gemacht, während sich meine Tanten, das Mädchen und ihre Eltern im Salon aufhielten.

Die Kleine war recht hübsch anzusehen mit ihren rötlich braunen Haaren und hatte eine gute Figur, so wie sie die Männer lieben. Im nächsten Moment war sie dabei sich zu entkleiden, was ihr wohl nicht weiter schwerfiel, da die Räume sehr warm geheizt waren.

Meine Tanten pflegten es bei diesen Anlässen an nichts fehlen zu lassen, und damit ihre Dienste für die wohlhabenden der Gesellschaft überaus empfehlenswert zu machen.

Mir selbst wurde im Folgenden richtiggehend heiß, was aber wohl nicht nur an der Raumtemperatur, sondern am Geschehen lag, dass sich von meinen neugierigen Augen entwickelte.

Als das Mädchen vollständig entkleidet war, wurde sie von meinen Tanten dazu aufgefordert, sich rundum im Spiegel zu betrachten, was den Herren im angrenzenden Raum bewunderndes Kopfnicken entlockte. Gesprochen wurde von den Herren allerdings nichts, zumindest konnte ich aus diesem Raum nichts vernehmen.

Danach nun begann eine Zeremonie, die ich zunächst nicht verstand, die sich mir aber im Nachhinein erschloss, als ich erfuhr, dass es unter Männern wohl die Ansicht gibt, dass ein Weib am besten beurteilt werden kann, wenn man weiß, wie sie sich bei einer Züchtigung verhält: nimmt sie die Züchtigung tapfer hin, dann ist sie wahrscheinlich ein gestandenes, robustes Weib und eine gute Ehefrau. Schreit und zappelt sie hingegen wild dabei, dann neigt sie zur Hysterie, und wird ihrem Mann im Bett keine große Freude bereiten. Zeigt sie jedoch über die Duldsamkeit hinaus noch eine gewisse Lust bei nicht allzu heftigen Hieben, dann kann der Mann auf eine sinnliche Frau hoffen, die ihm im Bett auch so manchen außergewöhnlichen Wunsch erfüllt.

Das also war der Hintergrund dafür, dass die Kandidatin sich alsbald über einen mit Samt überzogenen, speziell ausgestalteten Fauteuil legen musste, der so ausgerichtet war, dass er längs zum Spiegel stand. Von meiner Position aus blickte ich seitlich auf das seltsame Möbel, dass ich noch nie zuvor gesehen hatte. Das Mädchen lag darauf in einer Weise, dass das obere Ende ihres Popos den höchsten Punkt ausmachte, während ihr Oberkörper auf einem offensichtlich weichen Kissen etwas tiefer gelagert war. Dort wurden auch ihre Hände mit seidenen Schnüren gefesselt.
Ihre Unterschenkel und Knie wiederum ruhten auf niedriger angeordneten Polstern, so dass ihre Oberschenkel eine Steil geneigte Position aufwiesen, die sich an entsprechenden, fast senkrechten, Samtpolstern anschmiegen konnten. Während die Eltern des Mädchens nur zuschauten und sich mit Tante Marija in gedämpften Ton unterhielten, sodass ich nichts verstehen konnte, war Tante Svetlana damit beschäftigt die Beine des Mädchens auf dem Fauteuil mit Seidenschnüren in einer Art und Weise zu befestigen, von der ich aus meiner Position heraus nur ahnen konnte, dass sie den Schritt den Mädchens so öffneten, dass den Herren, welche sich auf der anderen Seite des Spiegels befanden, ein größtmöglicher Einblick in das Allerheiligste ihrer Weiblichkeit geboten wurde.

Als all diese Vorbereitungen abgeschlossen waren, bestimmten offensichtlich die Eltern des Mädchens, ob diese mit einer Birkenrute oder einer kurzen Peitsche gezüchtigt werden sollte. Die Auswahl wurde wohl im Allgemeinen daran orientiert, was die jeweilige Kandidatin bereits zuvor in ihrem Leben kennengelernt hatte. Hier hatten die Herren hinter dem Spiegel kein Mitspracherecht. Dies hatten sie allerdings bei der Dauer der Züchtigung, denn, wie ich erst später herausfand, versteckt in einem der Bilder, und betätigt über einen ausgeklügelten Mechanismus, konnten diese in gegenseitiger Abstimmung bestimmen, wann die Zeremonie beendet sein sollte.

Bei meiner ersten Beobachtung wählten die Eltern die Rute, und meine Tante Svetlana begann die Züchtigung mit einem ersten, nicht allzu heftigen Streich. Das Mädchen hatte einen kräftigen Popo, der den Herren sicher gefiel. Es folgte eine längere Pause, bis ein zweiter Streich folgte. Das Mädchen rührte sich nicht.

Das Geräusch der Rute drang nur gedämpft in mein Zimmer, doch ich konnte mir vorstellen, wie die Birkenreisser auf der weißen Haut des Mädchens bereits nach den ersten Streichen entsprechende Hautreaktionen hervorriefen. Direkt sehen konnte ich es nicht, aber ich beobachtete, wie sich ihre Pobacken mit dem Auftreffen der Streiche etwas zusammenzogen, um sich dann kurze Zeit später wieder zu entspannen. Meine Tante ließ sich nach wie vor viel Zeit zwischen den einzelnen Rutenstreichen.

Fasziniert, von diesen für mich neuen und aufregenden Beobachtungen, wandte ich mich erst nach einigen weiteren Rutenstreichen den Herren im Nebenzimmer zu, und stellte zu meinem Erstaunen fest, dass diese nun sämtliche ihre Hosen geöffnet und ihre Gemächte herausgeholt hatte. Steif standen im gedämpften Licht die Türme ihrer Wollust gen Himmel, und jeder rieb sich in seinem eigenen Rhythmus.

Offensichtlich hatten sie gegeneinander mit keinerlei Scham zu kämpfen, was mich doch stark verwunderte, da mir die Herren beim Abendessen noch sehr vornehm und gesittet erschienen waren.

Das war aber bei weitem kein Einzelfall, denn auch meine späteren Beobachtungen der immer ähnlich ablaufenden Vorgänge bestätigten mir, dass man in den wohlhabenden Kreisen, die ansonsten immer großen Wert auf Tugend und Anstand legten, durchaus zweierlei Gesichter zu haben pflegte.

Wie schon gesagt, war die Kandidatin in Bezug auf die Dauer der Züchtigung den Herren ausgeliefert, die ihre Entscheidung das Ganze zu beenden wohl einerseits davon abhängig machten, wie sich ihre eigene Lust und Erregung zu einem Abschluss gebracht hatte, und andererseits sich versichern wollten, wie die Kandidatin wirklich reagieren würde.

Ich konnte beobachten, wie jeder seine Bereitschaft für die Beendigung der Zeremonie durch das Ziehen an einer dünnen Kordel signalisierte. Als ich später den Raum erkundete, stellte ich fest, das eine raffinierte Mechanik die Signale der gezogenen Schnüre so miteinander verband, dass erst wenn alle gezogen waren, ein weiterer Mechanismus aktiviert wurde, welcher dazu führte, dass ein auf einem Bild des Salons dargestellter Cherubim seine Hand hob, und damit meinen Tanten signalisierte, dass das Spiel zu Ende sein sollte. Nachdem ich das erkannt hatte, verstand ich, warum meine Tante Svetlana, welche stets die Züchtigungen ausführte, immer wieder zu diesem Bild hinaufblickte, welches oberhalb der hölzernen Vertäfelung angebracht war.

Meiner Beobachtung nach mussten die hübscheren Kandidatinnen weit weniger erdulden, da zum einen die Herren schneller zu ihrem lustvollen Abschluss kamen, und zum anderen allein durch ihr Erscheinungsbild eine Entscheidung für sie zu bieten schneller fiel. Es war nämlich so, dass im Nachgang zu diesem Ereignis die Herren aufgefordert waren den Eltern des Mädchens diskret einen Brautpreis zu übermitteln. Auf der Basis dieses Gebots konnten die Eltern dann finanzielles Engagement, gesellschaftlichen Rang und Erscheinungsbild des potentiellen Bräutigams gegeneinander abwägen, und entschieden, mit wem eine weitere Anbahnung ratsam schien.

Beim diesem ersten Mal, bei dem ich das Geschehen beobachtete war mein Blick naturgemäß mehr auf die Reaktionen der Herren im Nebenzimmer gerichtet, die relativ bald das Ende signalisierten. Ich schätze, dass die Kleine nicht mehr als fünfzehn bis zwanzig Rutenstreiche überstehen musste.

Ich kann mich aber auch an Gelegenheiten erinnern, bei denen weniger hübsche Frauen an die vierzig Hiebe bekamen. Gerade bei einer Dame, die schon etwas reifer zu sein schien, und nur in Begleitung ihrer wohl engsten Freundin zum Diner erschienen war, zählte ich über vierzig Peitschenhiebe, bis auch der letzte – ein etwas älterer Herr - seine Entscheidung getroffen, und sein Einverständnis zum Beenden der Züchtigung mittels des verborgenen Mechanismus gegeben hatte.

Mit der Beendigung der Züchtigung verließen die Herren das angrenzende Zimmer, und begaben sich offensichtlich in die Bibliothek, um dort geistigen Getränken zuzusprechen, und sich so ihre Gedanken über das Gesehene zu machen, und gegebenenfalls im Nachgang ein Gebot abzugeben. Auch die Eltern und Tante Marija verließen den Salon, während Tante Svetlana sich noch um die Gezüchtigte kümmerte, ihr etwas zu trinken reichte, und ihren Popo mit einer Salbe einrieb.

Nach dem Ankleiden verschwanden auch diese beiden aus dem Salon, und ich machte mich ebenfalls unbemerkt auf den Weg zurück in mein Zimmer.

Jetzt wollt ihr sicherlich wissen, warum ich aus dem goldenen Käfig geflohen bin?

Nun, seit dem Krieg mit Japan und dem blutigen Sonntag in Petersburg mit all den nachfolgenden Unruhen, wurde die Anzahl unserer Gäste immer geringer, und oftmals dauert es zwei Monate bis genügend Bewerber zusammenkamen damit sich ein Diner für meinen Tanten rentieren würde.
Auch hielten sich die Familien in diesen unsicheren Zeiten wohl damit zurück ihre Töchter zu verheiraten, so dass meine Tanten deutlich mehr Aufwand treiben mussten, um zu einem Erfolg zu kommen

Da meine Schwester und ich schon lange das heiratsfähige Alter erreicht hatten, und mit unserer jeweiligen Verheiratung mit einem Schlag eine größere Summe fällig werden würde, entschieden sich unsere Tanten, mangels ausreichender anderer Kandidatinnen, uns auf den Markt zu werfen.

Meine Schwester war zwar empört, als sie von den Ereignissen überrascht wurde - ich hatte ihr natürlich nie von meinen Beobachtungen erzählt, sodass sie völlig ahnungslos war - aber sie hat ein sehr duldsames Wesen, und fügte sich ihrem Schicksal. Da sie sehr hübsch ist, fanden sich auch schnell genügend Bewerber, die sich offensichtlich darin überboten meinen Tanten einen ordentlichen Brautpreis zu entrichten. So wurde im letzten Sommer schon Hochzeit gehalten, und nun war ich die einzige im goldenen Käfig.

Da immer noch die Anzahl potentieller heiratswilliger Herren geringer war als in den Vorjahren, war es für meinen Tanten kein Problem, dass nun ein weibliches Wesen weniger im Haus war, und sie daher nur weniger potentieller Kandidaten einladen konnten. Doch fassten sie ins Auge nun auch mich bald zu verheiraten, um an meine restliche Apanage zu kommen, die aufgrund meines jüngeren Alters noch etwas höher ausfallen würde, als bei meiner Schwester.

Letzten Sonntag hätte meine ´Exposition´ stattfinden sollen. Ich hatte mich aber gut vorbereitet, und mit der Hilfe von Wassili, einer hilfsbereiten Seele aus dem Dorf, verschwand ich schon in der Freitagnacht und machte mich auf den Weg nach Moskau.

Auf keinen Fall wollte ich von meinen Tanten an den höchstbietenden Mann verschachert werden, insbesondere nach dem, was mir Wassili so davon erzählt hatte, wie Männer zu ihren Frauen sein konnten. Da wollte ich schon ein Wort mitreden, mit wem ich mich verheiraten lassen wollte.

Deshalb bin ich jetzt auf dem Weg nach Moskau um mit dem Treuhänder meiner Erbschaft zu reden, wie es weitergehen könnte. Vor meinen Tanten habe ich da keine Angst, denn wenn ich es publik machen, was ich über sie und ihre Machenschaften erfahren habe, wären sie ruiniert. Das habe ich ihnen auch in meinem Abschiedsbrief gleich so geschrieben.

Die letzten Tage waren hart, aber ich konnte mich von Nasarowo bis zur Bahnstrecke in Atschinsk durchschlagen, und da stand ja zum Glück euer Zug …“

 

Damit beendete Zinaida zunächst einmal ihre Erzählung mit einem breiten, entwaffnenden Lächeln auf den Lippen.

Es war spät geworden, und wir beschlossen uns in unsere Kojen zurückzuziehen.

 

Libertineros 2020, 2025

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